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Betrachtungen zur aktuellen Situation der Geburtshilfe in Deutschland

Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett sind natürliche Phasen im Leben einer Frau und bedürfen normalerweise nicht der ärztlichen Kunst, denn die Frau ist nicht krank.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO propagiert denn auch die Hebamme als die adäquate Fachfrau für Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. In krassem Gegensatz dazu erfahren jedoch heute in Deutschland 95 % aller gebärenden Frauen diverse medizinische Eingriffe. Und die „Trendgeburt“ per Wunschkaiserschnitt treibt sowohl die Sectiorate wie auch die (von den Krankenkassen getragenen) Kosten für Geburten in immer dramatischere Höhen. Der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands e.V. hält es – nicht nur angesichts der Finanzmisere der Krankenkassen – für dringend geboten, die Hebammenbetreuung konsequent in die Gesundheitsfürsorge einzubinden.

Hebammen sind die Fachfrauen für die gesunde Schwangere! Sie begleiten sie durch die Geburt und weisen ihr im Wochenbett den Weg in das neue Leben mit dem Kind! Hebammenkompetenz ist, auf die schwangere Frau als Mensch zuzugehen, sie ernst zu nehmen, ihr zuzuhören, mit einem Minimum an technischen Hilfsmitteln auszukommen, Wissen mit der Frau zu teilen, ein Maximum an Mitgefühl, Beratung, Vertrauensbildung und Hilfestellung auf dem Weg zu einer möglichst selbstbestimmten Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett zu geben. Damit ist die Hebamme in der Lage, eine normale Schwangerschaft zu begleiten, Beschwerden zu behandeln und Risiken und Komplikationen rechtzeitig zu erkennen.

Wie sieht jedoch die Realität der Geburtshilfe in der heutigen Zeit aus? Die Kaiserschnittrate steigt seit mehr als zehn Jahren dramatisch an und geht auf 30 % zu. Selbst bei einer ganz normalen Geburt in der Klinik erfahren annährend 95% aller Frauen einen medizinischen Eingriff, wie Dammschnitt (52,1%), Wehentropf (36,5%) oder gewaltsames Herausschieben mit Hilfe eines Notfallgriffes, dem „Kristellerschen Handgriff“. Ca. 75% aller schwangeren Frauen werden als Risikoschwangere eingestuft, was sie schon vor der Geburt auf mögliche oder wahrscheinliche Komplikationen einstellt.

Dagegen zeigt die außerklinische Geburtshilfe, die fast ausschließlich von Hebammen durchgeführt wird, ganz andere Ergebnisse: Von 9.465 außerklinisch begonnenen Geburten haben 87,1% tatsächlich zu Hause oder in Geburtshäusern entbunden und nur 12,8% mussten in eine Klinik verlegt werden. 93,8% aller Geburten, unabhängig vom letztendlichen Geburtsort, (also auch in Fällen von Klinikverlegung) konnten auf natürlichem Wege beendet werden. Es gab nur 4 % Kaiserschnitte und nur 2,1% Entbindungen, bei denen eine Zange oder Saugglocke zum Einsatz kamen. Dammschnitte waren nur bei 5,8% der außerklinischen Geburten notwendig.

Diese Zahlen belegen, wie kompetent und verantwortlich Hebammen mit ihrem Auftrag in der Betreuung der Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerin umgehen.  Genauere Informationen und statistisches Material hierzu liefert der Qualitätsbericht 2001 der „Gesellschaft für Qualität in der Außerklinischen Geburtshilfe QUAG e.V., erhältlich über die Geschäftsstelle des BfHD.)

Nun zum alarmierenden weltweiten Anstieg der Sektiorate: „Man hätte glauben sollen, die Natur habe das Geschäft der Gebärung aufgegeben und dem Messer überlassen.,“ wird Dr. Gustav Döderlein in dem Buch Gebären ohne Aberglauben von Dr. Alfred Rockenschaub (Lauter 1998, Verein freier Hebammen) zitiert.

Seit Jahren steigt die Kaiserschnittrate deutlich an und die Geburtenrate sinkt weiter ab. Die WHO hält eine 10%-Sectio-Rate für angemessen. In Deutschland stieg jedoch die Zahl der Kaiserschnitte von 13,1% in 1995 auf 21 % im Jahr 2000 an. Der Trend zum Kaiserschnitt ist deutlich sichtbar (s. Tabelle).

Dazu der Internationale Hebammenverband ICM: „Wir sind der Ansicht, dass die Sektio abdominales ein lebensrettender Eingriff ist, der die Gesundheit von Mutter und Kind schützen soll. Die Sektio sollte weltweit nur aus vernünftigen klinischen Gründen angewandt werden, wenn eine vaginale Geburt als weniger sicher betrachtet wird.“

Die sogenannte Wunschsektio ist sehr fragwürdig, da sie deutlich mehr Risiken in sich birgt als eine natürliche Geburt: ein fast dreifach höheres Sterblichkeitsrisiko der Mutter im Vergleich zu einer natürlichen Geburt, dazu höhere Risiken bei weiteren Schwangerschaften wie vorzeitige Plazentalösung, Eileiterschwangerschaft, nachlassende Fruchtbarkeit. Auch für das Kind ist die Wunschsektio ein unnötiges Risiko: das „respiratorische Streß-Syndrom“ tritt bei geplanten Kaiserschnitten deutlich häufiger auf als nach natürlich ausgelöste Wehen. Auch die Gefahr ungewollter Frühgeburten ist höher.

Für die Kliniken ist ein Wunschkaiserschnitt durchaus lukrativ und dementsprechend großzügig wird die medizinische Indikation gestellt. Nach der neuen DRG-Abrechnung kostet in einer kleinen Frankfurter Klinik eine normale Geburt ohne Dammschnitt und andere Eingriffe EUR 1.500. Für das Kind bekommt die Klinik EUR 1.200. Eine Sektio-Entbindung dagegen kostet, je nach Schwierigkeitsgrad, zwischen EUR 3.500 und 4.800 plus EUR 1.200 für das Kind. Ist das Kind leichter als 2.500 g (was bei einer geplanten Sektio vor dem errechneten Termin schon einmal vorkommen kann) gibt es noch einmal EUR 1.800 dazu.

Im krassen Gegensatz dazu stellen die Kosten für eine Hausgeburt: Die Hebamme erhält für ihren Beistand bei einer Hausgeburt EUR 537, brutto versteht sich. Die Krankenkasse zahlt dazu noch die Materialkosten, die bei der Geburt anfallen. Die Bereitschaftspauschale für die Hebamme von EUR 250 bis 500 EUR zahlen gesetzlich versicherten Frauen selbst!

Gisela Carreras, Hebamme, Berlin

Tabelle: Sektiorate und -kosten

Land 1995 2000

Kosten für „Wunschkaiserschnitt“

Österreich 14% 17,2%

wird nicht bez.; in Linz: Frau bez. 2560 Euro

Belgien 13,1% 15,9%

wird offiziell nicht bez.; Kassen ziehen Vergleiche

Tschechiche Republik 13 – 18%

med. Indikationen erforderlich

Deutschland 13,1% 21%

med. Indikationen erforderlich

Niederlande 9% 12,3% (2001: 13,8%)

med. Indikationen erforderlich

Slowenien 8,8% 11%

med. Indikationen erforderlich

Schweiz keine Daten keine Daten

med. Indikationen erforderlich

(Quelle: International Confederation of Midwives)

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